Kirche Thusis

Öffnungszeiten

täglich 9-18 Uhr

Baugeschichte

Die Reformierte Kirche in Thusis wurde von Andreas Bühler aus Gmünd/Österreich in vorreformatorischer Zeit 1491-1506 erbaut. Sie ist im spätgotischem Stil gehalten und war ursprünglich eine Marienkirche.

1792, 1814, 1905, 1956 und 2008 wurde sie einer Renovation unterzogen. Sie ist einschiffig. Der Chor hat ein Sternrippengewölbe mit vergoldeten Streifen. Die gotischen Spitzbogenfenster sind schmucklos verglast, das Masswerk ist jeweils unterschiedlich geformt. Über dem westlichen Eingangsportal befindet sich ein gotisches Fischblasenfenster mit einfarbig hellem Glas. Neben der Tür ist das alte Chorgestühl erhalten geblieben. Es dient heute als Ablage für Informationsschriften.

Zwickelmalereien

Bei der Renovation von 1956 wurden die spätgotischen Fresken in den Zwickeln des gotischen Rippengewölbeansatzes erstmals freigelegt. Bei der letzten Renovation 2008 wurden die Zwickelmalereien hell ausgefasst. Fehlstellen wurden durch Retuschen eingestimmt. Die abschliessende Konservierung und Restaurierung nahmen die Restauratoren Jörg und Curdin Joos aus Andeer vor.

Wir finden Tiere, Fabelwesen, Blütenranken und Blattwerk. Diese Fresken kommen mit wenigen Farben aus: rot, gelb, grün und blau. Sie sind mit dunkelbraunen oder schwarzen Randlinien und Schatten konturiert.

Der Weinstock erinnert sowohl an die Gleichnisse vom Weinstock und dem Weinberg als auch an das Abendmahl.

Manche Blumen sind bewusst erfundene Phantasie- und Wunderblumen: Sie spriessen hier schon als Fresken auf dieser Erde, weisen aber auf den paradiesischen Garten im Himmel hin.

Wir entdecken einen Adler: Symbol des Evangelisten Johannes. Als König der Lüfte verbindet er Himmel und Erde. Mit seiner zum Himmel auffahrenden Beziehung gen Sonne ist er der Auferstehung nahe und ein Hinweis auf die Himmelfahrt Christi. Er steht für Allmacht und Allwissenheit. Die Symbolsprache der Bibel zitiert den Adler häufig als Sinnbild der Schnelligkeit, der Kraft und Erneuerung. „Adlers Fittiche“ sind in den Psalmen Inbegriff der schützenden Stärke, von der der Glaubende sich behütet und getragen weiss.

Wir finden an der Decke einen widehopfartigen Hahn. Der Wiedehopf hat keine positive Konnotation. Wegen seiner aufgestellten Kopffedern dachte man früher eher an teuflische Hörner, zumal vom Wiedehopf ein abscheulicher Geruch ausgeht. Im Alten Ägypten galt er als Symbol für die Dankbarkeit, denn man sagte dem Wiedehopf nach, er gebe die Liebe seiner Eltern an sie zurück. Unser Thusner Wiedehopf mag vielleicht doch eher ein Hahn sein, der im Weinstock hockt und sich, an einem Traubenpergel pickend, gütlich tut. Sie sind ein Hinweis auf das Opfer Christi, denn schon in den vorchristlichen, antiken Religionen wurde den Göttern Wein als Opfergabe dargebracht. Der Hahn krähte dreimal, bevor Petrus seinen Herrn verleugnete. Der Hahn stünde also für den fehlbaren, sündigen Menschen, dem doch die Gnade an der Liebe Gottes zuteil wird.

Der Hirsch passt gut nach Graubünden. In Psalm 42 wird die Seele, die sich wie eine Liebende nach Gott sehnsüchtig verzehrt, mit dem Hirsch verglichen, der nach Quellwasser dürstet. In der Hubertus-Legende erscheint Christus über dem Hirsch. Der Thusner Hirsch ist ein Zehnender; vielleicht ein Hinweis darauf, dass nach alter jüdischer Tradition mindestens zehn mündige Gläubige zusammentreten müssen, damit eine Gemeinde vollzählig ist.

Den Pelikan finden wir zwar an der Kirchendecke in Thusis, aber nicht in der Bibel. Weder im Schöpfungsbericht noch auf der Arche Noah treffen wir ihn an. Obwohl sicher kein einziger mittelalterlicher Künstler nördlich der Alpen diesen exotischen, in Südosteuropa und Afrika lebenden Vogel jemals mit eigenen Augen gesehen haben dürfte, ist er an die Thusner Decke gemalt worden. Der Pelikan hat die Angewohnheit, seine Jungen aus seinem dehnbaren Kehlsack heraus zu füttern. Dabei stemmt er seinen Schnabel auf die Brust, um die Fische bequemer heraufwürgen zu können. Seine Federn färben sich beim Füttern durch das Fischblut rot. Dieses Verhalten wurde falsch gedeutet. Man schloss daraus, dass der Pelikan sich selbst die Brust aufreisse, um seine Kinder mit dem eigenen Blut zu nähren. Deshalb stand der Pelikan für die selbstlose, sich aufopfernde Liebe Christi, der sein Blut hingab, um die Kinder Gottes zu retten.

Der steigende Bock (oder der Wildziegenbock) ist ein vorchristliches Symbol für Fruchtbarkeit. Er stellt sich auf die Hinterbeine, um an die üppigen Blätter zu kommen. Der Widder erinnert uns vielleicht an die Geschichte des Ersatzopfers, nachdem Isaak von Abraham gerade nicht geopfert worden ist und damit das Menschenopfer in der Religionsgeschichte ein für allemal ein Ende fand. Hier handelt es sich aber vielmehr um ein dekoratives Element, dass mit Graubünden und dem Bündner Wappentier verbunden ist. Der Bischof von Chur führte den Steinbock seit dem 13. Jahrhundert in seinem Wappen.

An der Nordseite im letzten Gewölbejoch über der Orgel finden wir Fabelwesen: Zwei Schlangenköpfe mit Blütenschmuck. Aus den Schlangenmündern ranken florale Linien hervor. Die Schlangenköpfe sind mit Blüten gekrönt. Ihre Schwanzende werden nach unten hin grösser und gröber, bis sie in zwei feurigen Drachenköpfen enden. Vielleicht eine Warnung vor Doppelzüngigkeit, vor zu blumigen Worten oder davor, Böses in lieblichen Floskeln zu verpacken? Vergessen wir nicht: Dieser Zwickel stand ursprünglich dem, der auf der Kanzel predigte, direkt vor Augen, weil sich die Kanzel einst auf der jetzigen Orgelseite befand. Gemahnte das nicht den Predigenden, sich auf die Gute Nachricht und das Wort Gottes zu konzentrieren?

Am erstaunlichsten ist der Phönix. Die Schüler kennen den Phönix aus den Büchern von Harry Potter, und auch wir haben dieses Fabelwesen in einem unserer Thusner Zwickel: Der Phönix verbrennt im Feuer, er entsteht aber wieder neu. Er aufersteht aus seiner Asche. Werden und Vergehen – und wieder neu werden; Vergänglichkeit und Ewigkeit – dafür steht der Phönix. Der Thusner Phönix in den lodernden Ranken eines brennenden Dornbuschs mag an Gottes Stimme erinnern, die aus dem lichterlohen Dornbusch zu Mose sprach, aber ihn brennend nicht zerstörte. In jedem Fall ist der Phönix ein Symbol der Auferstehung Jesu Christi, der am Ostermorgen den Tod überwand.

Vor dem Chor links und rechts sehen wir das Christusmonogramm Alpha und Omega (der erste und der letzte Buchstabe des griechischen Alphabets) sowie die griechischen Buchstaben Chi (X) und Rho (P). Beides sind Zeichen Jesu Christi. Alpha und Omega erinnern an das Christus-Wort aus Offenbarung 22,13: „Ich bin das A und das O, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende.“ Das übereinandergeschobene Chi-Rho entspricht den ersten beiden Buchstarben von Χριστός („Christos“). Es wurde schon im 2. Jahrhundert von den frühen Christen als Abkürzungs- und Erkennungszeichen verwendet.

Ausstattung

Bei der Renovation im Jahr 2008 wurde das Schiff am Südeingang um einen gedeckten Anbau ergänzt, der mit dem Gewölbe unter dem Chor verbunden wurde. Im Anbau steht der denkmalgeschützte alte Taufstein aus dem Barock.

Der Tisch im Schiff erhielt ein neues Tischblatt. Das Apostelkreuz über der Tür, die vom Chor zum Turm führt sowie das kleine mittelalterliche Graffito rechts im Chor, das einen Mann in Pumphosen mit einer Lanze zeigt, wurden bei dieser Renovation freigelegt.

Turm

Der Turm schliesst nördlich an die Kirche an und stammt erst aus dem Jahr 1727. Das letzte Feuer, das im Turm 2002 ausbrach, beschädigte die Zwiebelhaube schwer. Sie wurde originalgetreu rekonstruiert. Die Kirche brauchte nach dem Brand ein komplett neues Geläut. Zwei der zerborstenen Glocken sind noch erhalten: Eine steht draussen zwischen Kirche und Leichenhalle, eine weitere vor der Migros.

Kanzel

Die Kanzel mit Kanzelkrone von 1628 stammt aus der Zeit der Bündner Wirren. Ursprünglich war sie auf der jetzigen Orgelseite angebracht.

Orgel

Die Orgel von 1956 hat ein Fünffachprospekt und ist an der Nordseite des Schiffs vor dem Chor angebracht.

Persönlichkeiten

Von 1784 bis 1848 und damit so lange wie kein anderer reformierter Geistlicher seit Bestehen der Bündner Synode amtete Leonard Truog in Thusis. 2011 fand die Bündner Synode in Thusis statt.

Aussenanlage

Vor dem Eingang steht eine sogenannte Szeklersäule (Kopjafa). Sie ist das Geschenk der Reformierten-Ungarischen Kirchgemeinde Baraolt/Rumänien. Die Szekler sind eine ungarisch-sprachige, reformierte Volksgruppe und zählen zur grössten Minorität Rumäniens.

Die Säule ist aus Eichenholz mit stilisierten geometrischen Symbolen versehen: Die Tulpe steht für die Frau, die Leben schenkt; man kann den Seklerstern erkennen, Symbole der Erde, von der wir leben, der Vergänglichkeit (wieder zur Erde werden) und der Sehnsucht nach dem Unendlichen im Himmel sind in abstrakten Formen wiedergegeben.